Die Herausgeber

Die Multiples von Joseph Beuys entstanden immer in Zusammenarbeit mit einem Herausgeber, der sowohl für ihre Produktion als auch für deren Verkauf und Vertrieb zuständig war. Viele Arbeiten wurden von Beuys konzipiert, manche beruhen auch auf Vorschlägen der Herausgeber und wurden dann unter Beuys’ Aufsicht realisiert. Aufgelistet sind hier nur die wichtigsten Herausgeber, mit denen Beuys besonders eng zusammengearbeitet und viele seiner bekanntesten Multiples produziert hat.

Lucio Amelio, Edizione Lucio Amelio, Neapel (1965–1975: Modern Art Agency)

1965 gründete Lucio Amelio in Neapel die Galerie Modern Art Agency, die er 1975 in Galleria Lucio Amelio umtaufte.1 Parallel zu dieser Umbenennung eröffnete er im selben Jahr unter dem Namen Edizione Lucio Amelio auch einen Verlag.

Über Amelio, der ihm 1971 eine Einzelausstellung ausrichtete, kam Beuys in Kontakt mit der italienischen Kunstwelt. Dieser ersten Zusammenarbeit schlossen sich in der Folgezeit weitere an, in deren Rahmen auch viele Multiples entstanden, die entweder mit Ausstellungen in der Galerie oder anderen Aktivitäten zu tun hatten, mit denen sich Beuys in Italien beschäftigte.2 Zwei dieser Multiples wurden zu Ikonen seines Werks: La Rivoluzione siamo Noi von 19723 und die Capri-Batterie von 1985, die auf einem Objekt von Beuys basiert, das in Lucio Amelios Villa auf Capri entstanden war.4


  1. Siehe http://www.italica.rai.it/galleria/numero6/istituzioni/amelio.htm. Abgerufen am 23. Mai 2014. 

  2. Näheres über Beuys’ erste Ausstellung mit Amelio findet sich in der Einleitung zu Achille Bonito Olivas Interview mit Beuys, „Partitura di Joseph Beuys: La Rivoluzione siamo Noi“, in: Warhol Beuys. Omaggio a Lucio Amelio, Mailand 2007, S. 61; Lucrezia De Domizio Durini, „Beuys. Life and Works“, in: Lucrezia De Domizio Durini (Hrsg.), Beuys Voice, Mailand 2011, S. 126–127; Lothar Schirmer, „Kleine Geschichte der Beuys-Sammlung“, in: Joseph Beuys im Lenbachhaus und Schenkung Lothar Schirmer, München 2013, S. 10–11. 

  3. Dieses Multiple wurde zusammen mit der Edition Tangente herausgegeben. 

  4. Über die Entstehung der Capri-Batterie berichtet Lucio Amelio in: Katharina Schmidt (Hrsg.), Joseph Beuys. Die Multiples. Beuys-Stiftung Ulbricht im Kunstmuseum Bonn, Bonn 1992, S. 59.   

René Block, Galerie René Block und Edition René Block, Berlin

1964 gründete René Block in West-Berlin die Galerie René Block, zwei Jahre später die Edition René Block.1 Bei seinen Ausstellungen und Publikationen konzentrierte er sich vor allem auf zwei wichtige Kunstrichtungen – die internationale Fluxus-Bewegung und den von der Pop Art beeinflussten Kapitalistischen Realismus, der mit Künstlern wie Gerhard Richter, Konrad Lueg (später als Konrad Fischer bekannt) und Sigmar Polke verknüpft ist.2

René Blocks Engagement für die Multiples entwickelte sich aus seiner Überzeugung, Kunst müsse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich und insbesondere auch für junge Sammler bezahlbar sein. In seiner Zusammenarbeit mit Beuys konzentrierte er sich vornehmlich auf Multiples mit Objektcharakter. Zu den 13 Multiples, die er herausgab, gehören so wichtige Arbeiten wie Evervess II 1 (1968), Schlitten (1969) und Filzanzug (1970).3


  1. Barbara Heinrich, „Dem Multiple gehört die Zukunft.“ Der Verleger René Block, http://www.editionblockberlin.de/archiv_de.php. Abgerufen am 23. Februar 2014. 

  2. René Block u. a., „Joseph Beuys – Wir betreten den Kunstmarkt“, in: Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels Zadik, Heft 16, Nürnberg 2009, S. 10. Zum Kapitalistischen Realismus vgl. beispielsweise René Block, unter Mitarbeit von Prof. Dr. Carl Vogel, Grafik des Kapitalistischen Realismus. KP Brehmer, Hödicke, Lueg, Polke, Richter, Vostell. Werkverzeichnisse bis 1971, Berlin 1971. 

  3. René Block erinnert sich an die Herstellung der Multiples in: Marc Gundell (Hrsg.), Beuys für alle! Auflagenobjekte und Multiples, Kunsthalle Vogelmann, Heilbronn 2010, S. 52.   

Lucrezia De Domizio Durini, Edizioni Lucrezia De Domizio, Pescara

Beuys traf die Baronin Lucrezia De Domizio Durini, die seit den frühen 1960er Jahren als Autorin und Kuratorin tätig war, erstmals 1971.1 Zusammen mit ihrem Ehemann Buby Durini unterstützte und förderte sie in den italienischen Abruzzen zahlreiche Aktivitäten und gesellschaftspolitische Projekte von Beuys. Dazu zählte 1978 eine von der Free International University initiierte Diskussion in Pescara, die Gründung einer Stiftung, die sich unter dem Namen Fondazione per la rinascita dell’agricultura Italiana für eine Rückkehr zu traditionellen Anbaumethoden der Landwirtschaft einsetzte, und das ökologische Langzeitprojekt Difesa della Natura (Verteidigung der Natur), das Beuys bis zu seinem Tod beschäftigte und 1984 in der Anpflanzung von 7000 vom Aussterben bedrohten Sträuchern und Bäumen seinen Höhepunkt fand. Fraglos darf man darin ein Vorspiel zu der berühmten Aktion 7000 Eichen sehen, die er im selben Jahr auf der documenta in Kassel durchführte.2

Im Zusammenhang mit Beuys’ vielfältigen Aktivitäten in den Abruzzen gab De Domizio Durini zahlreiche Multiples heraus, darunter handgefertigte Werkzeuge, wie sie für die Landwirtschaft verwendet werden, Lebensmittel aus der Region – etwa Wein und Olivenöl – sowie viele Drucke und Plakate. All diese Arbeiten hatten eine doppelte Funktion: Um die Realisierung der Projekte zu unterstützen, sollte über den Verkauf der Multiples Geld beschafft werden, zum anderen sollten die entsprechenden Projekte damit auch bekannt gemacht werden.


  1. So erzählt von Lucrezia De Domizio Durini in: „Who is Beuys?“, in: Lucrezia De Domizio Durini (Hrsg.), Beuys Voice, Mailand 2011, S. 946. 

  2. Einen guten Überblick über Beuys’ Projekte mit Lucrezia De Domizio Durini gibt Ilaria Apostoli, „Bolognano: Zufluchtsort für eine Utopie der Kunst“, in: Lucrezia De Domizio Durini (Hrsg.), Beuys Voice, Mailand 2011, S. 374–382. 

Jörg Schellmann und Bernd Klüser, Verlag Schellmann und Klüser (1975–1984), München (1971–1974: Edition Schellmann)

Jörg Schellmann und Bernd Klüser, beide in München tätig, trafen Beuys zum ersten Mal in den späten 1960er Jahren. In Schellmanns kleiner Galerie zeigten sie bereits 1971 eine erste Ausstellung mit Multiples.1 Zu dieser Präsentation gaben sie ein Werkverzeichnis der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Multiples in Form eines Ringbuchs heraus, in dem jede Arbeit auf einem separaten Blatt beschrieben wurde.2 Es erschien auch eine Sonderausgabe des Katalogs, der ein neues Multiple von Beuys mit dem Titel Fingernagelabdruck aus gehärteter Butter (1971) beigelegt war. In dem Gespräch zwischen Schellmann, Klüser und Beuys, das in dem Katalog abgedruckt ist, beschreibt Beuys seine Multiples als „Vehikel“ und „Antennen“, mit deren Hilfe seine Ideen verbreitet werden sollen, und wies damit weiteren Interpretationen den Weg.3 Gemeinsam gaben Schellmann und Klüser etwa 20 Multiples heraus, unter anderem Celtic+∿∿∿∿ (1971), Fahne (1974) und Telephon S——Ǝ (1974). 1974/1975 präsentierten sie Beuys’ berühmte Installation zeige deine Wunde im Kunstforum unter der Maximilianstraße, in deren Zusammenhang 1977 auch ein wichtiges Multiple gleichen Titels entstand.


  1. Für weitere Informationen über Schellmann und Klüser vgl. http://www.galerieklueser.com/gallery/ Abgerufen am 13. Mai 2014. http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.galerien-in-muenchen-klueser-mit-beuys-ging-s-gleich-in-die-champions-league.f2a70a05-1f6f-49d1-996b-16ae89aed551.html. Abgerufen am 13. Mai 2014. http://www.welt.de/wams_print/article2596088/Mit-Opa-Beuys-am-Kuechentisch.html. Abgerufen am 13. Mai 2014. 

  2. Das Werkverzeichnis erschien später in gedruckter Form und erhielt bislang sieben Neuauflagen. Jörg Schellmann (Hrsg.), Joseph Beuys. Die Multiples, München und New York 1997. 

  3. Jörg Schellmann und Bernd Klüser, „Fragen an Joseph Beuys“, in: Jörg Schellmann (Hrsg.), Joseph Beuys. Die Multiples, München und New York 1997, S. 9–28. 

Klaus Staeck, Edition Staeck, Heidelberg (1968–1972: Edition Tangente)

Klaus Staeck war der Herausgeber, mit dem Beuys am häufigsten zusammengearbeitet hat: Er war an der Herstellung von mehr als 200 Multiples beteiligt. Obwohl er eigentlich auf Postkarten spezialisiert war, hat er auch Papierarbeiten in anderen Formaten sowie zahlreiche Multiples mit Objektcharakter herausgegeben.

Die erste Zusammenarbeit zwischen Beuys und Staeck fand 1968 statt. Dabei ging es um Postkarten, die im selben Jahr auf der documenta 4 in Kassel verkauft werden sollten.1 Das Unternehmen verlief zwar nicht besonders erfolgreich, weil es weder viel Aufmerksamkeit einbrachte noch viele Karten verkauft wurden, markierte aber den Beginn einer lang anhaltenden, engen Zusammenarbeit. In den folgenden 15 Jahren gaben sie zusammen über 100 Postkarten-Editionen heraus, zu denen auch Sonderauflagen mit Karten zählten, in denen Materialien wie Filz und PVC verarbeitet wurden, die in Beuys’ Werk eine wichtige Rolle spielten. Einige der Postkarten basierten auf Beuys’ Ideen, eine überwiegende Zahl wurde allerdings durch einen Vorschlag von Klaus Staeck inspiriert. Zusammen mit dem Verleger Gerhard Steidl war Staeck für den Druck und den Vertrieb zuständig.2 Für die Plakate hingegen entwickelte immer Beuys die Ideen, überließ Staeck und Steidl aber die Gestaltung und den Druck des fertigen Motivs.3

Die Multiples, die in den späten 1970er Jahren unter dem Titel Wirtschaftswerte erschienen, wurden ebenfalls von der Edition Staeck herausgegeben. Dabei handelte es sich um abgepackte Lebensmittel, die Beuys signierte, stempelte und beschriftete. Beuys signierte, stempelte und beschriftete sie. Viele dieser Produkte hatte Klaus Staeck aus der DDR mitgebracht, weil sie ihm für die Serie der Wirtschaftswerte passend erschienen.4 Bei einem ihrer Besuche in der DDR erwarben Klaus Staeck und sein Bruder Rolf zahlreiche Emailschüsseln, die dann zur Grundlage des Multiples für Fußwaschung von 1977 wurden.5


  1. Staeck beschreibt dieses Treffen in dem Text „Beuys und das Jahr der Postkarten“, in: Helmut Gold, Margret Baumann und Doris Hensch (Hrsg.), „wer nicht denken will fliegt raus“: Joseph Beuys Postkarten, Sammlung Neuhaus, Heidelberg 1998, S. 15–16. 

  2. Vgl. Staeck ebda., S. 16, und Isabel Siben, „Im Gespräch mit Joseph Beuys“, in: Isabel Siben (Hrsg.), Beuys: Plakate / Beuys: Posters, München 2004, S. 12. 

  3. Siben, ebda., S. 13. 

  4. Klaus und Rolf Staeck in einem Gespräch mit Luke Smythe am 13. März 2014. 

  5. Ebda.   

Wolfgang Feelisch, VICE-Versand, Remscheid

1966 gründete Wolfgang Feelisch in Remscheid das kleine Versandunternehmen VICE-Versand. Überzeugt von der Bedeutung, die Kunst für die Gesellschaft und vor allem für junge Leute hat, wollte er durch den Versand günstiger Multiples in unlimitierter Auflage dafür sorgen, dass einer breiten Öffentlichkeit der Zugang zur Kunst ermöglicht werde. Als Ideengeber für sein Vorhaben dienten neben Multiples aus der Fluxus-Bewegung auch Taschenbücher und die Forderungen der Studentenbewegung nach einer Reform des Bildungssystems.1 Das bekannteste Multiple von Beuys, das vom VICE-Versand herausgegeben wurde, ist Intuition von 1968, von dem zu Beuys’ Lebzeiten etwa 10.000 Exemplare produziert wurden. Anfangs kostete es nur ein paar Mark, war aber auch bei Beuys’ Tod noch einigermaßen erschwinglich. Insofern kam diese Arbeit dem Ideal von Wolfgang Feelisch, Kunst auf so demokratische Weise wie möglich zu vertreiben, recht nahe.


  1. Für einen detaillierten Überblick über den VICE-Versand vgl. Peter Schmieder, Unlimitiert. Der VICE-Versand von Wolfgang Feelisch. Unlimitierte Multiples in Deutschland. Kommentiertes Editionsverzeichnis der Multiples von 1967 bis in die Gegenwart, Köln 1998. Siehe auch Kerstin Skrobanek u. a., „Konsum statt Kommerz. Der Vice-Versand von Wolfgang Feelisch“, in: Heinz Beck u. a., Gut aufgelegt: Die Sammlung Heinz Beck, Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen am Rhein, Köln 2013, S. 122–129.