Evervess II 1

  • 1968
  • Zwei Sodawasserflaschen, eine mit Filz, in Holzkasten, Deckel bedruckt mit Text
    27 x 16,5 x 9,5 cm
  • Auflage: 40, nicht nummeriert, nicht signiert
  • Herausgeber: Galerie René Block
  • Werkverzeichnis Nr. 6

Evervess II 1 besteht aus zwei Sodawasserflaschen, die nebeneinander in einem Holzkasten stehen. Zwei Stücke Filz wurden so an der einen Flasche befestigt, dass ihr Etikett verdeckt wird. Der Text auf dem Deckel gibt eine genaue Anweisung über die Funktionsweise des Multiples: „Sender beginnt mit der Information, wenn ‚II‘ ausgetrunken und der Kronverschluss möglichst weit weggeworfen ist“.1 Die Arbeit verlangt also die aktive Mitwirkung seines Benutzers, um ihre Wirkung als „Sender“ entfalten zu können.

Der Markenname des Sodas und das bedruckte Etikett verweisen auf die spirituelle Kraft, die in der gespeicherten Energie des Wassers vorhanden ist. Evervess ist von dem Wort „effervescence” (Sprudeln) abgeleitet und bezeichnet den Prozess, in dem ein Getränk mit Kohlensäure angereichert wird. Ein symbolträchtiger Vorgang, verwandelt sich das Wasser durch die zugefügte Energie doch in eine sprudelnde, annähernd lebendige Substanz, die allem Profanen enthoben zu sein scheint. Darauf deuten auch die schneebedeckten Berggipfel auf dem Etikett: Sie suggerieren, dass das Wasser aus einer klaren Bergquelle stammt, die aus der Tiefe der Erde sprudelt.2 In ihrer Unermesslichkeit, die sie unergründlich und rätselhaft macht, sind Berge für Beuys Reservoirs für geistige Energie.3

Beuys ahnte allerdings, dass wohl kaum ein Besitzer des Multiples die Anweisung tatsächlich ausführen würde. Um trotzdem einen Zugang zu der im Wasser gespeicherten Energie zu ermöglichen, befestigte er die Filzstücke an einer der Flaschen. Immer wieder hat Beuys dieses Material als Filter benutzt, der Wärme von einer Substanz aufnimmt und in die Umgebung abgibt.4 Als ein solcher Überträger geistiger Energien dürfte auch der Filz in dieser Arbeit aufgefasst werden.


  1. Die Anweisung ist allerdings nicht ganz eindeutig, weil sie sich auf die Flasche „II“ bezieht, ohne anzugeben, welche von beiden das ist. René Block, der Herausgeber des Multiples, hat allerdings erklärt, dass „II“ die Flasche mit dem Filz ist. René Block in einem Gespräch mit Luke Smythe am 10. April 2013. 

  2. Tatsächlich enthalten die Flaschen allerdings normales Leitungswasser, das mit Kohlensäure versetzt wurde. Insofern treffen diese Assoziationen gar nicht zu, wie Beuys selbst feststellt. Vgl. Jörg Schellmann und Bernd Klüser, „Fragen an Joseph Beuys“, in: Jörg Schellmann (Hrsg.), Joseph Beuys. Die Multiples, München, New York 1997, S. 12. 

  3. Vgl. hierzu „Joseph Beuys im Gespräch mit Caroline Tisdall, 1974“, in: The Secret Block for a Secret Person in Ireland, Tübingen 1988, S. 48. 

  4. Vgl. hierzu Barbara Strieder, „Filz“, in: Barbara Strieder (Hrsg.), Joseph Beuys. Die Materialien und ihre Botschaft, Museum Schloss Moyland, Bedburg-Hau 2006, S. 94–110. 

    Fotos 1, 2

    © Mario Gastinger, Photographics, München

    Katalog Museum Mönchengladbach1967 Intuition 1968