aus Eurasienstab
- 1973
- Siebdruck auf Zeitungspapier
89,7 x 63 cm - Auflage: 180, Exemplare 1–50 in Braun, 51–180 in Schwarz gedruckt, signiert und nummeriert; + 50 Exemplare in Schwarz gedruckt auf weißen Karton, mit Fettfleck, signiert und römisch nummeriert
- Herausgeber: Edition Staeck, Heidelberg
- Werkverzeichnis Nr. 75
1967 und 1968 führte Beuys die Aktion EURASIENSTAB. 82 min fluxorum organum in Zusammenarbeit mit Henning Christiansen durch.1 Eine entscheidende Phase der Aktion findet sich in diesem Multiple verdichtet: Es basiert auf einem Foto von Ute Klophaus und zeigt Beuys dabei, wie er den Inhalt einer Margarineschachtel in seine Kniekehle drückt. Währenddessen hat er seinen rechten Fuß, an dem er eine mit Lederriemen befestigte Eisensohle trägt, auf eine auf dem Boden liegende Filzsohle gestellt. Das Bild, das auf einfaches Zeitungspapier gedruckt wurde, zeigt, wie der Margarineklumpen aus Beuys’ Kniekehle quillt, während Beuys seine Hand eng an den Oberschenkel presst. Die starke Beugung seines Knies intensiviert die Verbindung zwischen den Materialien Eisen und Filz, die sich unter seinem Fuß befinden. Diese Gesten verweisen auf zwei wichtige Themenkomplexe in Beuys’ Werk: Zum einen auf sein Interesse an intuitiver Erfahrung, die er dem rationalen Denken gegenüberstellt, und zum zweiten auf seinen Wunsch, gegenläufige Kräfte und Energien in ein Gleichgewicht zu bringen.
Beuys war der Überzeugung, dass die Intuition – anders als das kopfgesteuerte rationale Denken – nicht auf einen bestimmten Körperteil beschränkt sei, sondern überall stattfinden könne. Das verdeutlicht auch seine Bemerkung, „Ich denke sowieso mit dem Knie“. Indem er in der Aktion EURASIENSTAB Margarine in seine Kniekehle drückte, bedeckte er sie mit einer Substanz, die für ihn einen Träger geistiger Wärme darstellte, eine Form von Energie, die er als Quelle von Kreativität und Veränderung sah. Auch die Filzsohle unter Beuys’ Fuß steht für Wärme und Intuition, die er hier den kalten und starren, den rationalen Eigenschaften des Eisens gegenüberstellt.2 Die Tatsache, dass Eisen und Filz in aus Eurasienstab so übereinanderliegen, dass sie eine Kreuzform bilden, veranschaulicht Beuys’ Intention, über den Ausgleich entgegengesetzter Kräfte gesellschaftliche Prozesse in Gang zu setzen.
Beuys führte die Aktion zweimal durch: Zunächst am 2. Juli 1967 in der Galerie nächst St. Stephan in Wien, dann ein weiteres Mal am 9. Februar 1968 in der Wide White Space Gallery in Antwerpen. Da nur von der zweiten Aktion ein filmisches Dokument existiert, beziehen sich die Überlegungen im Text auf die Antwerpener Fassung. ↩
Beuys hat sich mehrfach über die Bedeutung von Eisen und Filz in seinem Werk geäußert. Vgl. Caroline Tisdall, Joseph Beuys, London 1979, S. 26 und 74. ↩
© H. Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen