Wirtschaftswerte

  • 1977
  • Rückseite:
    Wirtschaftswert Fruchtsaft, ca. 1977
    Glasflasche mit Fruchtsaft, Stempel der Partei Die Grünen, handschriftliche Zusätze
    25 x 7 x 7 cm
    Auflage: Unikat
    Herausgeber: Edition Staeck, Heidelberg
    Werkverzeichnis Nr. --
  • Vorne links:
    Wirtschaftswert Götterspeise, ca. 1977
    Papiertüte mit Götterspeise, mit F.I.U.-Stempel und handschriftlichem Zusatz in Bleistift
    11,3 x 7,4 x 0,3 cm
    Auflage: Unikat
    Herausgeber: Edition Staeck, Heidelberg
    Werkverzeichnis Nr. --
  • Vorne rechts:
    Wirtschaftswert Brusttee, 1977
    Teepäckchen, unterschiedlich innerhalb der Auflage, mit handschriftlichem Zusatz
    15,5 x 10,5 cm
    Auflage: 50 signiert, nummeriert
    Herausgeber: Edition Staeck, Heidelberg
    Werkverzeichnis Nr. --
  • Bild 2
    Wirtschaftswert APOLLO, 1977
    Margarinebecher, 8,5 x 11,5 cm Durchmesser und Postkarte, 10,5 x 14,8 cm
    Auflage: 40 + V, signiert und nummeriert
    Herausgeber: Edition Staeck, Heidelberg
    Werkverzeichnis Nr. 208

Mitte der 1970er Jahre beschäftigte sich Beuys mit mehreren Projekten, in deren Zentrum eine Untersuchung zum Thema Wirtschaftswerte stand. Bekannt wurde vor allem die gleichnamige Installation von 1980, die typische, abgepackte Lebensmittel auf einfachen Eisenregalen präsentierte. Die karg bestückten und spärlich beleuchteten Regale fungierten als Gegenbild zu dem Überangebot westlicher Supermärkte und kritisierten die in der Wegwerfgesellschaft anzutreffende Missachtung gegenüber lebensnotwendigen Ressourcen, zu denen Beuys im übertragenen Sinne auch die menschliche Kreativität zählt. 

Wie die meisten anderen Werke, die den Titel Wirtschaftswerte tragen, handelt es sich bei den vier hier abgebildeten Arbeiten um abgepackte Lebensmittel, deren Verpackung Beuys gestempelt und beschriftet hat. Essen bedeutete für Beuys nicht nur Nahrung im körperlichen, sondern auch im geistigen Sinne. Wie andere Materialien, die er in seiner Kunst verwendete, sah er Lebensmittel als Träger von Wärme und damit als eine Energie, die als Lebensgrundlage und Quelle der Kreativität diente.1 Essen war damit gleichbedeutend mit Energieaufnahme. Besonders deutlich wird das in der Arbeit Wirtschaftswert APOLLO, deren Name auf den griechischen Sonnengott Apollon verweist2 und deren Inhalt ein Becher Margarine ist, die Beuys als Symbol für Veränderbarkeit und als Träger von Energie und Wärme häufig in seinem Werk verwendet hat. Zwei der anderen hier abgebildeten Wirtschaftswerte, der Fruchtsaft und die Götterspeise, enthalten Zucker, der im Körper wiederum in Wärme umgewandelt wird.

Doch auch die heilenden Kräfte der Nahrung spiegeln sich in den Wirtschaftswerten wider, etwa in dem Wirtschaftswert Brusttee, der ein Päckchen mit Lavendeltee enthält. Wie andere Kräuter, die Beuys in seinem Werk benutzt hat, hat Lavendel eine seit Langem bekannte beruhigende Wirkung. Der Begriff Brusttee legt nahe, dass er zur Linderung von Atemwegserkrankungen eingenommen werden kann. 

Beuys lenkt hier den Blick auf die lebenserhaltenden und heilenden Eigenschaften der Nahrungsmittel, um in Zeiten sinnloser Verschwendung für einen bewussteren Umgang mit diesen wertvollen Ressourcen zu sensibilisieren. Er fordert also das aktive Mitdenken, was in der Postkarte deutlich wird, die dem Multiple Wirtschaftswert APOLLO beigegeben war. Darauf heißt es kurz und knapp: „wer nicht denken will fliegt raus“


  1. Zur Rolle des Essens als geistiger Nahrung vgl. Caroline Tisdall, Joseph Beuys, London 1979, S. 89, und Kirsten Claudia Voigt, „Ernährung“, in: Harald Szeemann (Hrsg.), Beuysnobiscum, Berlin 1997, S. 145. 

  2. Äußerungen von Beuys über Apollo finden sich in: „Beuys über Kunst: Auszüge aus einem Gespräch“, in: Theo Altenberg/Oswald Oberhuber (Hrsg.), Gespräche mit Beuys: Joseph Beuys in Wien und am Friedrichshof, Klagenfurt 1988, S. 126. 

    Fotos 1, 2

    © H. Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

    Celtic +∿∿∿∿, für Fußwaschung1971, 1977 Letter from London 1977