Iphigenie/Titus Andronicus

  • 1985
  • Fotopositiv und -negativ auf Film, gestempelt mit brauner Farbe (Braunkreuz), Glas, Eisenrahmen
    71 x 55 x 4,5 cm
  • Auflage: 45 + IX + 5 A. P., signiert und nummeriert
  • Herausgeber: Edition Schellmann, München und New York
  • Werkverzeichnis Nr. 523

Für das Multiple Iphigenie/Titus Andronicus hat Beuys zwei Fotos verwendet, die Ute Klophaus 1969 bei seiner Frankfurter Aktion Titus/Iphigenie aufgenommen hatte. Das obere Bild zeigt linkerhand Beuys im Halbdunkel einer Bühne hockend. Mit seiner linken Hand und dem ausgestreckten Zeigefinger bedeckt er teilweise sein Gesicht. Rechts von ihm steht im hinteren Teil der Bühne ein mit Scheinwerferlicht angestrahlter Schimmel, der friedlich frisst. Im unteren Bild steht Beuys aufrecht und hält in jeder Hand ein Becken neben seinen Kopf. Als Gegenbild zum dunklen Positiv oben ist das untere Foto ein Negativ in gespenstischen Grautönen, aus dem Beuys’ Körper dunkel hervorsticht. 

In ihrer kontrastreichen Zusammenstellung veranschaulichen diese beiden Kompositionen die zentralen Aspekte der Aktion, die einerseits in den zahlreichen Gesten des Künstlers und andererseits in den akustischen Elementen zum Ausdruck kamen. Neben Textpassagen aus Goethes Iphigenie auf Tauris zählten dazu auch Gemurmel und Kehllaute von Beuys, die mit Mikrophonen übertragenen Kau- und Stampfgeräusche des auf einer Eisenplatte stehenden Schimmels sowie gelegentliche Schläge von Beuys mit dem Becken.1 Über die Bedeutung, die hier den akustischen Elementen zukommt, hat Beuys sich selbst geäußert: „Ich habe mich bereit gefunden, diese Aktion mit Goethes Iphigenie zu machen, weil ich meinte, es wäre jetzt an der Zeit, mit der Sprache selbst so zu hantieren, wie ich zum Beispiel vorher mit Filzplastik hantiert habe, und das auf die Sprache zu übertragen.“2 Dieses plastische Verständnis von Sprache kommt in dem Multiple durch die abrupten Licht- und Farbwechsel zum Ausdruck, die den Betrachter dazu einladen, sein Auge rhythmisch über die kontrastierenden Bildelemente gleiten zu lassen.


  1. Zum Ablauf der Aktion vgl. Uwe M. Schneede, Joseph Beuys: Die Aktionen, Ostfildern-Ruit 1994, S. 240–242, und Caroline Tisdall, Joseph Beuys, London 1979, S. 182. 

  2. „Interview“, in: Rolf-Gunter Dienst, Noch Kunst. Neuestes aus deutschen Ateliers, Düsseldorf 1970, S. 44. 

    Foto 1

    © H. Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

    aus „3-Tonnen-Edition”1973–1985